Ich soll mein Einzelbüro aufgeben und mir jeden Tag einen neuen Arbeitsplatz buchen?
Ich soll mein Team zu Leistung führen, ohne dass ich meine Leute im Büro sehe?
Ich soll mit dem Fahrrad ins Büro fahren - und weniger Wein trinken?
Niemals!
Egal, wer uns die Veränderung anrät oder auferlegt: Wir lehnen sie ab!
Egal, ob das Facility Management, das C-Level oder mein Hausarzt es anscheinend "nur gut mit mir meinen":
Die können mich alle mal kreuzweise!
Es ist gut so, wie es war. Und ich sehe keinen einzigen Grund, irgendetwas zu ändern.
Nur leider muss ich jetzt.
So ein riesiger Mist!
Nichts ist so beständig wie der Wandel?
Mir doch egal - der Wandel kann mich mal!
Richitg anstrengend ist der Wandel, viel zu schnell. Und manchmal machen anstehende Veränderungen auch so richtig Angst.
Die erste Reaktion?
- Na ja, zucken wir erstmal mit den Schultern. Tun so, als sei nichts geschehen. Vielleicht geht es ja vorbei.
- Wenn es nicht vorbeigeht werden wir wütend. Das zeigen wir dann auch.
- Manchmal werden wir neugierig. Sind gespannt, was da auf uns zukommt. Vielleicht wird ja nicht alles nur schlechter?
Denn durch Veränderungen entstehen neue Möglichkeiten. Vielleicht hilft das ja, den Wandel positiv zu sehen?
Und was passiert eigentlich in unserem Gehirn, wenn sich um uns herum vieles verändert?
Vor allem: Wenn sich schon alles ändert - vielleicht können wir dann wenigstens das Beste daraus machen?
Das Gehirn will vor allem eins: Energie sparen!
Das Gehirn ist eine faszinierende Schaltzentrale, die uns dabei hilft, die Welt um uns herum zu verstehen und auf sie zu reagieren. Millionen von neuronalen Verknüpfungen, die uns befähigen, uns in einer hochkomplexen Welt zurechtzufinden. Weil unser Gehirn ebenfalls hochkomplex ist.
Unser Gehirn verbraucht ca. 20% unseres Gesamtenergieumsatzes. Es ist also ein regelrechter "Energieräuber". Wir können also getrost davon ausgehen, dass die Evolution energiesparende Gehirne begünstigt hat, denn bis vor 150 Jahren war die Energiezufuhr keineswegs dauerhaft gesichert.
Routinen verbrauchen im Hirn wesentlich weniger Energie, als wenn wir neue Herausforderungen zu lösen haben. Daher lieben unsere grauen Zellen es, wenn sich nichts verändert. Oder jedenfalls nicht zu sehr.
Kein Wunder also, dass viele Menschen es vorziehen, wenn alles so bleibt, wie es ist.
Heißt das, dass wir uns ab jetzt nicht mehr "mucken" dürfen? Nichts antasten, nichts verändern?
Nein, heißt es nicht.
Außerdem würde das ja auch kaum funktionieren. Immer wird irgendwo was ganz anders - und manchmal eben auch direkt bei uns, in unserem engsten Umfeld, in unserem Leben.
Glücklicherweise ist unser Gehirn auch durchaus dazu bereit ist, sich auf Neues einzulassen.
Allerdings müssen zwei Bedingungen dafür erfüllt sein:
- Wir wollen, dass unsere Widerstände angehört und ernstgenommen werden.
- Wir wollen, dass unsere grundlegenden Bedürfnisse respektiert werden.
Wie können wir "das Beste draus machen"?
Es kommt also darauf an, die Bedürfnisse jedes Einzelnen zu erkennen und zu respektieren.
Nur wenn wir uns sicher, wertgeschätzt und kompetent fühlen, sind wir motiviert, uns auf Veränderungen einzulassen.
Unser Gehirn ist darauf programmiert, Belohnungen (Dopamin) und Bindungen (Oxytocin) zu suchen.
Unternehmen und Führungskräfte, die dies im Wandel berücksichtigen, schaffen eine Umgebung, in der Mitarbeitende die Veränderung als Chance und nicht als Bedrohung verstehen.
Ein systemischer Ansatz, der das Ganze betrachtet, kann uns dabei helfen, diese Bedürfnisse zu befriedigen und Widerstände zu reduzieren.
Eine Chance für das ganze Team!
Was heißt das ganz konkret?
Organisationen tun gut daran, sehr bewusst ein Klima der psychologischen Sicherheit zu schaffen. Indem sie Führungskräfte dazu ermuntern (oder dazu weiterbilden), eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der alle Beteiligten ihre Ängste und Sorgen aussprechen können - und damit auf verständnisvolle Ohren treffen.
Führungskräfte und ihre Teams sollten dazu ermutigt werden,
- sich selbst zu reflektieren,
- ihre Bedürfnisse zu benennen
- ihre Ängste zu äußern
Um das zu tun, müssen sich alle Beteiligten sicher fühlen. Sicher, dass ihre Offenheit ihnen nicht übel ausgelegt wird. Sondern dass alle wenigstens versuchen, einander zu verstehen.
Denn immer dann, wenn alles anders wird, als es war, ist es enorm wichtig, die Bedürfnisse und Ängste von allen Beteiligten willkommen zu heißen. Gut zuzuhören. Und dann gemeinsam zu überlegen, wie alle gemeinsam damit umgehen können.
Schon Johann Wolfgang von Goethe meinte:
„Das Leben gehört dem Lebendigen an, und wer lebt, muss auf Wechsel gefasst sein.“
Besser gemeinsam als einsam
Es ist wissenschaftlich belegt: Wenn wir mit einer vertrauten Person gemeinsam in Gefahr kommen, haben wir weniger Angst als allein.
Wir können Veränderungen also besser gemeinsam meistern, als wenn jeder auf sich selbst gestellt ist. Schon indem wir wissen: "Da ist jemand in der gleichen Situation wie ich" fühlen wir uns gestärkt.
Was ich ganz persönlich aus der Pandemie gelernt habe ist das hier: Nie ist die Solidarität so hoch, wie wenn alle das Gefühl haben, im gleichen Boot zu sitzen. "We are all in this together". Plötzlich hat jeder jeden deduzt. Wildfremde Menschen haben sich virtuell verbündet gegen den gemeinsamen Virus-Feind. Wir haben unser komplettes Leben auf den Kopf gestellt. Was uns getröstet hat: Zu wissen, dass es uns allen irgendwie gleich geht.
Daher ist mein klarer Rat: Redet über das, was euch schwerfällt.
Erzählt euch, was ihr braucht, damit es besser wird.
Das allein ist schon erleichternd.
Und so wird eine Lösung sehr viel leichter.
Echte Geschichten helfen
Doch auch ohne lebendigen Beistand im Hier und Jetzt können wir Trost erfahren:
Auch wenn wir Geschichten hören, in denen die "Helden" großartige Herausforderungen zu bewältigen hatten (und deren Leben hat sich schlagartig verändert, das liegt auf der Hand) tröstet uns das.
Je änlicher diese Geschichten zu unserer eigenen sind, desto leichter können wir uns hineinversetzen. Desto eher erscheint uns ein gangbarer Weg.
Indem wir Geschichten erzählen und Zuhörer erreichen, schaffen wir Verständnis und emotionale Bindungen. Denn am Ende des Tages überzeugen uns nicht die Fakten.
Sondern die Gefühle.
Das Gefühl, andere haben das geschafft - und ich werde das auch schaffen.
Mein Nachbar hat das gemacht? Kann ich auch!
Unser Gehirn bleibt sich treu - seit 200.000 Jahren
Trotz aller technologischen und sozialen Entwicklung bleiben wir Menschen, wie wir sind. Unser Gehirn hat sich ja seit der Steinzeit strukturell kaum verändert. Vereinfacht gesagt, ist einfach nur eine Unmenge an Wissen hinzugekommen.
Aber unsere Wünsche (nach Verbundenheit), Ängste (vor dem Unbekannten) und Bedürfnissen (nach Sicherheit und Geborgenheit) sind noch immer dieselben. Vielleicht ist das ja auch gut so. Denn genau diese "Unzulänglichkeiten" machen uns so.... - ja, menschlich!
Und in diesem menschlichen Kern geht es weder um Fakten noch um Kennzahlen.
Da geht es um unsere urmenschlichen Bedürfnisse.
Wie also gelingt der Wandel?
Sobald wir das berücksichtigen und damit aktiv umgehen, halten wir den Schlüssel zu einem gelingenden Wandel bereits in der Hand.
Und das lohnt sich: Veränderungen schüchtern uns weniger ein.
Zwar bleiben Veränderungen herausfordernd. Aber wir erkennen ebenfalls, dass wir uns daran entwickeln und daran wachsen können.
Und genau da kommt ein weiterer, urmenschlicher Wesenszug ins Spiel: Wir Menschen sind Entwicklungswesen. Wir streben von Natur aus danach, uns zu entwickeln und voranzukommen.
Wie also gelingt der Wandel?
- Indem wir uns auf die psychologischen Mechanismen einlassen.
- Indem wir den Wandel als Gemeinschaft durchleben.
- Indem wir positive Geschichten "zum Anfassen" hören.
Was ist das Ende vom Lied?
Das Ende ist, dass es kein Ende gibt: Das "neue Normal" ist das alte Normal von morgen.
Aber in der Zwischenzeit ist ungeheuer viel passiert:
Erstaunt stelle ich fest: Ein Arbeitsleben ohne Einzelbüro ist möglich - und schon nach wenigen Wochen bin ich so gut in meiner Firma vernetzt, wie ich es mir niemals hätte träumen lassen.
Mein Team performt hervorragend, obwohl jeder woanders arbeitet - und ich werde zum "hybrid boss" des Jahres gewählt.
Und seitdem ich mich regelmäßig an der frischen Luft bewege, fühle ich mich glatt zwei Jahre jünger.
Hat doch alles sein Gutes, oder?
Ich will mehr erfahren!