Wie immer drücken die Termine. Anne und Lukas besprechen, was jetzt zu tun ist. Lukas: "Ich denke, wir sollten zuerst die Daten analysieren". Darauf Anne energisch: "Die Zeit haben wir nicht; wir müssen sofort mit der Präsentation anfangen!" Lukas stöhnt und rollt mit den Augen.
"Echt lächerlich, dass du mal wieder denkst, wir könnten eine gute Präsentation abliefern, ohne die Daten richtig zu verstehen!" Daraufhin Anne, erbost: "Wenn du mir aber auch nie richtig zuhörst! Immer versuchst du, deine eigenen Ideen durchzudrücken!"
Lukas: "Ach ja, ich drücke hier immer nur meine Ideen durch? Ohne mich wärt ihr hier doch total verloren. Immer muss ich hier für alle die Kohlen aus dem Feuer holen!" Anne zischt: "Ohne dich würden wir viel schneller vorankommen, Idiot!"
Dieser Konflikt kochte in ähnlicher Form immer wieder hoch. Mittlerweile hatten sich regelrechte Lager gebildet. Die einen unterstützten die Position von Lukas, die andern standen eher auf Annes Seite.
Viele schüttelten allerding auch nur den Kopf, dass sich an solchen Lappalien regelmäßig neue Konflikte entzündeten, zu ganz unterschiedlichen Themen. "Gestritten wird bei uns mittlerweile über alles" sagte der Teamchef damals zu mir. "Ich habe schon etliche Dinge ausprobiert, um die Lage zu entschärfen. Hat bisher leider nichts gebracht!"
Was genau passiert, wenn ein Konflikt im Team eskaliert?
Dramaturgie der Konflikteskalation
Ein unkontrollierter Konflikt verläuft in klar voneinander zu unterscheidenden Phasen. Dabei spielt es zumeist keine Rolle, um welches Thema sich die beteiligten Parteien streiten: Die Dramaturgie der Konflikteskalation ist meist dieselbe:
1 - Die Sachfrage / Diskussion
Am Anfang fast jeder Konflikteskalation steht zumeist eine Sachfrage. Hinterher ist es oft schwer, sich daran überhaupt noch zu erinnern, weil "unterwegs" die Gefühle derart hochkochen. Doch wenn es losgeht, ahnen die späteren Streithähne noch nicht, dass es so weit kommen wird - sondern gehen noch davon aus, dass sie sich "schon noch einigen" wird.
Im eingangs erwähnten Konflikt ist das solange der Fall, wie Anne und Lukas sich über Datenlage und Präsentationserstellung unterhalten.
2 - Die emotionale Überlagerung
Eine emotionale Überlagerung entsteht dann, wenn personengebundene und damit sachfremde Aspekte erwähnt werden. Die Argumente der einen Seite werden von der anderen damit nicht mehr als berechtigte Sachargumente akzeptiert.
Die Teilnehmenden wechseln auf eine emotionale Ebene, die gerne auch mit moralischen Aspekten "gewürzt" wird.
Insbesondere finden in diesem Moment persönliche Abwertungen statt, z.B. indem direkt oder indirekt Unwissenheit oder Dummheit unterstellt wird. (Ebenso gerne werden Eigennutz, taktische Überlegungen oder mangelnde Aufrichtigkeit unterstellt)
In unserem Beispiel ist das der Fall, als Lukas sagt: "Echt lächerlich, dass du mal wieder denkst, wir könnten eine gute Präsentation abliefern, ohne die Daten richtig zu verstehen!"
3 - Der Streit eskaliert
Da die emotionale Überlagerung als persönliche Kränkung aufgefasst wird und sich die solchermaßen angesprochene Person nicht ernst genommen oder sogar abgewertet fühlt, geht sie "folgerichtig" zum Gegenangriff über.
Das tut Anne, wenn sie sagt: "Wenn du mir aber auch nie richtig zuhörst! Immer versuchst du, deine eigenen Ideen durchzudrücken!"
Damit steigert sich die aufkochende negative Energie des Gespräches. Wut und Empörung wachsen - jetzt auf beiden Seiten.
Lukas: "Ach ja, ich drücke hier immer nur meine Ideen durch? Ohne mich wärt ihr hier doch total verloren. Immer muss ich hier für alle die Kohlen aus dem Feuer holen!"
Woraufhin Anne ihn als "Idiot" bezeichnet und damit das Gespräch - an seinem unrühmlichen Höhepunkt - vorerst beendet.
Klar ist an diese Stelle: Die ursprüngliche Sachfrage ist völlig aus dem Blick geraten. Die beiden Kontrahenten fressen wahlweise ihren Ärger in sich hinein oder gehen fluchend zur Toilette. Nicht selten suchen sie sich Verbündete, um mit der Situation überhaupt zurecht zu kommen.
Damit zieht der Konflikt weitere Kreise.
4 - Der Streit verhärtet sich - und bricht an unerwarteten Stellen immer wieder auf
Früher oder später kühlt der Streit ab. Entweder weil die eine Seite "des lieben Friedens willen" nachgibt. Weil ein Chef ein "salomonisches Urteil" gefällt hat oder eine klare Ansage macht. Oder auch weil die beiden Konfliktparteien einen "Kuhhandel" betreiben nach dem Motto: "Jetzt machen wir es so, aber dafür..."
Dadurch wird der Konflikt chronisch. Es herrscht "kalter Krieg". Oder es gibt Streit um lächerliche Kleinigkeiten.
In diesem Zustand verbrauchen die "Kriegsparteien" unendlich viel Zeit, Geld und Nerven. Denn da die Betroffenen von nun an weniger miteinander reden und viel schlechter miteinander kooperieren, werden Ressourcen verschleudert und Chancen vertan.
Nicht selten wird ein immaterielles "Rabattmarkenheft" geführt: die Konfliktparteien warten nur darauf, es einander heimzuzahlen, um sich für die die vergangenen Verletzungen zu revanchieren. Der Konflikt kann somit immer wieder aufbrechen.
Streitbeilegung: Wie wir den Konflikt wieder aufgelöst haben
Es sollte meine Aufgabe werden, den seit Monaten vor sich hin schwelenden Streit endlich beizulegen. Also setzten wir uns in einer Teamrunde zusammen, um offen über die Spannungen zu sprechen.
Zunächst habe ich die beiden "Streithähne" gebeten, ihre jeweilige Sichtweise darzulegen. Zwei Grundregeln: Jeder darf ausreden ohn unterbrochen zu werden - und jede Äußerung wird ernst genommen und das dahinter stehende Bedürfnis gewürdigt.
Dies gab Anne und Lukas die Möglichkeit, ihre Positionen in einem respektvollen Rahmen auszudrücken.
In einem zweiten Schritt erarbeiteten wir gemeinsam Lösungsvorschläge. Dabei suchten wir nach den gemeinsamen Interessen, die hinter den unterschiedlichen Positionen standen.
So konnten sich Anne und Lukas zum Beispiel darauf einigen, dass ein strukturierter Ansatz zur Präsentationserstellung notwendig ist, der sowohl die Datenanalyse als auch kreative Inputs beinhaltete.
Zudem vereinbarten wir regelmäßige Check-ins, um Missverständnisse frühzeitig zu klären. Durch diese Maßnahmen konnte die interne Kommunikation im Team wesentlich verbessert werden.
Lerneffekte für das ganze Team
An diesem Fallbeispiel sehen wir, wie schnell Diskussionen über ein sachliches Thema in einen persönlichen Streit umschlagen - und dann als chonischer Konflikt verhärten.
Durch das offene Gespräch und die Suche nach gemeinsamen Lösungen haben wir die Kommunikation im ganzen Team verbessert. Auch die anderen haben aus dem Fall gelernt. Jetzt arbeitet das Team gemeinsam daran, Sachfragen miteinander zu besprechen, ohne diese emotional zu überlagern.
Dadurch kommt es jetzt sehr viel seltener zum Streit. Mittlerweile kann das Team aufkeimende Konflikte schnell und wirksam selbst beilegen.
"Wir haben alle viel gelernt" sagt Anne.
"Zum Glück - sogar mit meiner Frau streite ich jetzt kaum noch!" setzt Lukas lachend hinzu.
Mit mir machen Sie hybride Arbeit.
Richtig.
Gut.