Konstruktives Vertrauen

Die Geschichte von Andreas: Teil 2 - konstruktives Vertrauen

(Fortsetzung von Teil 1)
Überall ist plötzlich zu lesen, dass Mitarbeitende zuhause die Wäsche aufhängen und die Wohnung putzen. Andreas (Inhaber & Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens) fragt sich:

"Woher soll ich wissen, ob meine Mitarbeitenden im Homeoffice überhaupt arbeiten?"

Der Zweifel nagt an ihm. Er fängt an, die Dauer der einzelnen Arbeitsschritte in ihrem Projektmanagment-Tool genauer anzuschauen. In der FK-Runde fragt er immer öfter: Warum dauert das so lange? Wofür habt ihr die vielen Stunden verbraucht? 

Er fordert detaillierte Reportings über den Arbeitseinsatz. Daraufhin sinken die Leistungen in den Teams

“Die Deppen faulenzen auf meine Kosten” 

Andreas rast vor Wut Er glaubt, jetzt endgültig den Beweis dafür zu haben, dass seine Leute ihn im Homeoffice hintergehen. Er ruft mich schäumend an und berichtet erbost von den "Faulenzern im sogenannten Homeoffice".

Spinnt jetzt auch noch die Beraterin?

Jetzt hilft nur noch eins  "Du musst ins Vertrauen springen” sage ich zu ihm. Entsetzt schreit er ins Telefon: “Du spinnst ja total! Niemals werde ich das tun! Ich kassiere jetzt Homeoffice - und damit basta!” Dann hat er aufgelegt.


Fachkräfte kommen nur, wenn flexible Arbeit möglich ist

Zwei Tage später meldet er sich wieder und erzählt, dass ihn direkt nach unserem Telefonat sein Personalchef angerufen hat. Der war überglücklich - weil er nach wochenlanger Suche endlich zwei passende Bewerber als Projektleiter gefunden hat. “Der perfekte Match! Die beiden bringen genau das, was wir suchen! Die Honorarvorstellungen passen auch zusammen - alles paletti! 

"Und wo ist der Haken?" hat Andreas ihn gefragt. „Die kommen nur, wenn sie Homeoffice dürfen“. Das reicht Andreas für eine Kehrtwende. Denn die beiden Neuen will er unbedingt haben.

Ich rate Andreas zu "konstruktivem Vertrauen"

Also verabreden wir uns zu einem sehr intensiven Gespräch. “Ins Vertrauen springen? mir wird echt schwindelig, wenn ich mir das vorstelle!” sagt er zum Abschied. Eine ganze Woche hat er mit sich gerungen. Am Ende hat er seinen Mut zusammengenommen und ist gesprungen

Ich habe daraufhin im Wochenturnus mit Andreas gearbeitet. Mit ihm, mit seinen Führungskräften und mit seinen Teams. 

Das Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung

Es hat einige Mühen gekostet, aber dann hat Andreas eine ganz wichtige Erkenntnis gehabt: Solange er vom Schlechten im Menschen ausgeht, behandelt er seine Mitarbeitenden mit Misstrauen, Das fördert seinen eigenen Zynismus - und den seiner Belegschaft.

Und solange er seinen Leuten Faulheit unterstellt, leben diese in dauernder Sorge. Da sie  glauben, sich rechtfertigen zu müssen, verwenden sie ihre Energie nicht mehr darauf, die Kunden glücklich zu machen. Sondern darauf, ihren Arbeitsplatz zu schützen. Damit kreisen ihre Bemühungen nicht mehr um Kundenprobleme, sondern um ihn als Chef. 

Wieso funktioniert Vertrauen?

Was hat Andreas mit dieser Erkenntnis gemacht? Er hat sich immer wieder mit seinen Mitarbeitenden zusammengesetzt und sie gefragt, was sie brauchen, um einen wirklich guten Job zu machen. Dabei hat er einerseits Vertrauen geschöpft – und andererseits viel Vertrauen in den Teams geschaffen.

Menschen wollen das in sie gesetzte Vertrauen immer rechtfertigen. Wer seinen Mitarbeitenden dauerhaft vertraut, wird ebenso dauerhaft eigenverantwortliches Handeln ernten. Das braucht Zeit und Ausdauer – aber es lohnt sich.  

Andreas hat oft laut gestöhnt in dieser Zeit. Und sich enorm bewegt, äußerlich wie innerlich

Mehr Output – so arbeiten hybride Teams produktiver 

Was hat sich in Andreas Unternehmen verändert? Seine Mitarbeitenden sprechen Probleme schneller und ehrlicher an als früher. Früher haben sie Schwierigkeiten eher vertuscht – aus Angst, sie könnten schlecht dastehen, wenn es mal nicht so läuft.

Andreas sagt: Meine Teams arbeiten jetzt auch eigenverantwortlicher. Die entscheiden viel mehr selber, anstatt mit jeder Kleinigkeit sofort angerannt zu kommen.

Andreas hat eine neue Rolle als Chef

Anstatt zu kontrollieren, räumt Andreas jetzt seinen Teams die Steine aus dem Weg. Er geht zu den Projektmeetings seiner Teams und hört. womit seine Leute bei der Arbeit zu kämpfen haben. Und dann kümmert er sich um die Dinge, bei denen er als Chef am längeren Hebel sitzt: Probleme mit Zulieferern, Absprachen mit externen Dienstleistern, Anschaffungen von neuen Tools. 

Als sich seine Mitarbeitenden bei ihm bedanken, weil sie jetzt eigenständiger und reibungsloser arbeiten können, weiß er, dass der Weg richtig war. Alle Teams arbeiten jetzt wesentlich schneller und produktiver zusammen. 

Von seinen Kunden bekommt er jetzt wieder begeistertes Feedback

“So geht also dieses verteufelte New Work!”

Seiner Crew hat er jetzt den Transatlantik-Törn zugesagt. Diesen Herbst geht es los: in Portugal auf´s Schiff und dann in wenigen Wochen rüber in die Karibik. Die Crew feiert ihn bereits – seine Mitarbeitenden auch.

Andreas ist überglücklich.

Er strahlt bis über die Ohren, als er mir davon erzählt.

"So geht also dieses verteufelte New Work!" sagt er verschmitzt und zwinkert mir zu.